BGH: Grundstückserwerb durch Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich möglich

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf dem Grundstück der aus 31 Wohneinheiten bestehenden Wohnanlage befinden sich nur sechs Pkw-Stellplätze; diese hatte die teilende Grundstückseigentümerin in der Teilungserklärung aus dem Jahr 1982 den Wohnungen Nr. 26 bis 31 zugeordnet. Den Wohnungen Nr. 1 bis 25 hatte sie jeweils einen Pkw-Stellplatz auf dem – damals in ihrem Eigentum stehenden – Nachbargrundstück zugeordnet und sich durch eine Baulast öffentlich-rechtlich verpflichtet, die Stellplätze der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Seitdem werden die Stellplätze durch die Wohnungseigentümer genutzt. In der Folgezeit wechselte die Eigentümerin des Nachbargrundstücks. Die neue Eigentümerin widersetzte sich einer weiteren unentgeltlichen Nutzung des Grundstücks und bot den Abschluss eines Mietvertrages oder den Kauf des Grundstücks an. Daraufhin beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit den Erwerb des Nachbargrundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kaufpreis sollte maximal 75.000 € betragen und in Höhe von 15% von allen Eigentümern nach Wohneinheiten und zu 85% von den Eigentümern der Wohnungen 1 bis 25 als Nutzer der Stellplätze getragen werden.

Die von einer Wohnungseigentümerin erhobene Anfechtungsklage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen.

Der u. a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen, da die Beschlüsse der Wohnungseigentümer über den Grundstückserwerb und die Kostenverteilung nicht zu beanstanden sind.

Den Wohnungseigentümern fehlte nicht die erforderliche Beschlusskompetenz. Sie können grundsätzlich den Erwerb eines Grundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft als (teils)rechtsfähigen Verband beschließen. Der Erwerb des Nachbargrundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft entspricht auch ordnungsmäßiger Verwaltung, da das Grundstück für die Wohnungseigentumsanlage von Beginn an eine dienende und auf Dauer angelegte Funktion hatte und diese mit dem Erwerb aufrechterhalten werden soll. Die benachbarte Fläche diente seit Errichtung der Wohnungseigentumsanlage als Parkplatz und – über die Baulast – zugleich der Erfüllung des nach öffentlichem Recht erforderlichen Stellplatznachweises. Allerdings gewährt die Baulast den Wohnungseigentümern als Begünstigten weder einen Nutzungsanspruch noch verpflichtet sie die Grundstückseigentümerin, die Nutzung zu dulden. Wenn sich die Wohnungseigentümer vor diesem Hintergrund zur Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage für den Erwerb des Nachbargrundstücks durch die Wohnungseigentümergemeinschaft entscheiden, entspricht dies ordnungsmäßiger Verwaltung.

Auch der gewählte Kostenverteilungsschlüssel, der sich an dem Nutzungsvorteil für den jeweiligen Wohnungseigentümer orientiert, ist nicht zu beanstanden.

Vorinstanzen:
AG Bremen-Blumenthal 44 C 2012/13 - Urteil vom 4. Oktober 2013
LG Bremen 4 S 343/13 - Urteil vom 13. Februar 2015

Urteil vom 18. März 2016 – V ZR 75/15

Quelle: Meldung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe vom 18. März 2016

BGH: Eigentümer muss Baumschatten vom Nachbargrundstück akzeptieren

Ein Grundstückseigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn Bäume vom Nachbargrundstück auf seinem Grundstück Schatten werfen. 

Hintergrund

Die Eigentümer eines Grundstücks in Nordrhein-Westfalen verlangen von der Stadt die Beseitigung von Bäumen in der benachbarten Grünanlage. Sie sind seit 1990 Bewohner und seit 1994 Eigentümer des Grundstücks, das mit einem nach Süden ausgerichteten Reihenhausbungalow bebaut ist. Der Garten grenzt an eine öffentliche Grünanlage. Dort stehen in einem Abstand von über 9 Metern von der Grenze zwei ca. 25 Meter hohe, gesunde Eschen.

Die Eigentümer des Grundstücks verlangen von der Stadt, die Bäume zu beseitigen. Ihr Garten werde durch die Bäume vollständig verschattet und sei deshalb weder zur Erholung geeignet noch zur Pflege ihrer anspruchsvollen Bonsai-Kulturen. Bei Erwerb des Hauses sei das Wachstum der Bäume nicht vorhersehbar gewesen. Solch hoch wachsende Laubbäume seien mit einer konzeptionell nach Süden ausgerichteten Bungalow-Siedlung unvereinbar.

Entscheidung


Die Klage hat keinen Erfolg. Es liegt bereits keine Beeinträchtigung des Eigentums vor.

Zwar kann ein Grundstückseigentümer bestimmte Einwirkungen, die vom Nachbargrundstück ausgehen, abwehren. Maßstab hierfür ist § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Entzug von Luft und Licht reicht insoweit aber nicht aus. Diese Ansicht hat bereits das Reichsgericht vertreten. Der BGH hat dies nun nochmals bestätigt.

Eine Eigentumsbeeinträchtigung scheidet auch deshalb aus, weil die im Landesrecht niedergelegten Abstandsvorschriften, wonach stark wachsende Bäume zur Grundstücksgrenze einen Abstand von 4 Metern wahren müssen, eingehalten sind.

Ein aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteter Beseitigungsanspruch kommt mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Er setzt voraus, dass die Eigentümer wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Nachteilen ausgesetzt werden. Daran fehlt es, weil die Gartenfläche nicht das ganze Jahr über vollständig im Schatten liegt.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der vorgeschriebene Abstand um mehr als das Doppelte überschritten wird. Umso mehr tritt in den Vordergrund, dass öffentliche Grünanlagen zur Luftverbesserung, zur Schaffung von Naherholungsräumen und als Rückzugsort für Tiere gerade auch große Bäume enthalten sollen, für deren Anpflanzung auf vielen privaten Grundstücken kein Raum ist. Die damit einhergehende Verschattung ist Ausdruck der Situationsgebundenheit des Grundstücks, das am Rande einer öffentlichen Grünanlage liegt.

(BGH, Urteil v. 10.7.2015, V ZR 229/14)

§ 906 BGB Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. (…)
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. (…) 

Quelle: Haufe Online Redaktion/PM des BGH v. 10.7.2015 –
Link zum Artikel

BGH: Es reicht, „die Betriebskosten“ auf den Mieter umzulegen

In der Wohnraummiete genügt zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter die Vereinbarung, dass dieser „die Betriebskosten“ zu tragen hat. Eine Bezugnahme auf die Betriebskostenverordnung oder das Beifügen des Betriebskostenkataloges ist nicht erforderlich.

Hintergrund: Mieter fordert Betriebskosten zurück

Die Vermieter und die ehemaligen Mieter einer Wohnung streiten darüber, ob die Mieter verpflichtet waren, die Betriebskosten zu tragen.
Im Formularmietvertrag aus dem April 2007 ist unter dem Punkt „Miete“ zu den Betriebskosten vereinbart:

„Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 Zweite Berechnungsverordnung (Abwasser, Gebühren, Steuern, Versicherung etc.) 100 Euro.“ […] „Für Art und Umfang der Betriebskosten ist die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 Zweite Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung maßgebend.“

Die Vermieter fordern die Zahlung rückständiger Miete. Die Mieter rechnen mit einem angeblichen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Betriebskosten auf. Sie meinen, die Umlage der Betriebskosten sei im Mietvertrag nicht wirksam vereinbart.

Entscheidung: Begriff „Betriebskosten“ ist klar

Die Betriebskosten waren wirksam auf die Mieter umgelegt.

Zu einer wirksamen Umlagevereinbarung von Betriebskosten in der Wohnraummiete müssen die einzelnen Betriebskosten nicht aufgezählt werden. Das gilt auch in einem Formularvertrag.

Der Begriff „Betriebskosten“ ist seit vielen Jahrzehnten definiert, zunächst durch Rechtsverordnung, später durch Gesetz. Bereits in der 1957 in Kraft getretenen Zweiten Berechnungsverordnung findet sich in § 27 die Definition, dass es sich dabei um die Kosten handelt, die „dem Eigentümer durch das Eigentum oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen“. Seit dem 1.1.2007 ist dieselbe Definition in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB enthalten - unter Verweis auf die Aufstellung der Betriebskostenverordnung, die den bis Ende 2003 geltenden Betriebskostenkatalog in der Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung abgelöst hat.

Angesichts dieser Gesetzeslage, die den Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit Langem festlegt, ist der hier im Mietvertrag verwendete Begriff der Betriebskosten ohne Weiteres in diesem Sinne zu verstehen.

Zudem ist es auch - sowohl im preisfreien als auch im preisgebundenen Wohnraum - seit Jahrzehnten allgemein üblich, in Mietverträgen die Umlage sämtlicher Betriebskosten zu vereinbaren und abzurechnen, die nach den genannten Definitionen umlagefähig sind. Angesichts dessen bedarf der Begriff der „Betriebskosten“ in der Wohnraummiete grundsätzlich keiner Erläuterung oder Aufschlüsselung, da er als bekannt vorausgesetzt werden kann und für den durchschnittlichen Mieter hinreichend klar und verständlich ist.

Bezugnahme auf ungültige Norm schadet nicht


Auch daraus, dass der Mietvertrag auf Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung Bezug nimmt, die seinerzeit schon nicht mehr gültig war, ergibt sich nichts anderes. Das schon deshalb, weil der Mietvertrag auf die jeweils aktuelle Fassung verweist. Damit ist klargestellt, dass der jeweilige Betriebskostenkatalog gemeint ist, so wie er sich aus der gültigen Verordnung zu den in der Wohnraummiete umlegbaren Betriebskosten ergibt. Dass dieser Betriebskostenkatalog bereits bei Abschluss des Mietvertrags der Parteien nicht mehr in der Zweiten Berechnungsverordnung, sondern in der Betriebskostenverordnung enthalten war, ist eine unschädliche Falschbezeichnung.

(BGH, Urteil v. 10.2.2016, VIII ZR 137/15)

Quelle: Haufe.de - Online-Redaktion 29.02.2016 –
Link zum Artikel

BGH: Rechte und Pflichten der Vertragsparteien bei Stellung eines Ersatzmieters

Wer gegen Stellung eines Nachmieters vorzeitig aus einem längerfristigen Mietvertrag entlassen werden will, muss sich selbst um einen geeigneten Nachmieter bemühen und dem Vermieter sämtliche benötigte Informationen verschaffen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Die Mieter wollten vorzeitig aus einem für 4 Jahre fest abgeschlossenen Mietvertrag ausscheiden. Hintergrund war ein Wechsel des Arbeitsplatzes und ein damit aufgrund der Entfernung zusammenhängender Wohnsitzwechsel. Die Kündigung des Mieters wurde von der Vermieterin zu Recht nicht akzeptiert. Die Vermieterin bot aber an, den Mieter bei Stellung eines geeigneten Nachmieters aus dem Mietvertrag zu entlassen. Dafür forderte Sie aber vom Nachmieter - wie seinerzeit von dem Mieter auch - eine kurze schriftliche Erklärung zu den Familienverhältnissen, eine Selbstauskunft nebst Verdienstbescheinigung, den bisherigen Mietvertrag, Personalausweiskopien, eine Bonitätsauskunft sowie eine Bescheinigung, dass dieser den Mietvertrag vorbehaltlos unterschreiben werde. Zu diesen Bedingungen konnten die Mieter keinen Ersatzmieter beibringen.   

Entscheidung der Vorinstanz

Die Vorinstanz ging davon aus, dass die Beklagten zwar keinen Nachmieter gestellt hätten, die Verpflichtung zur Benennung eines Ersatzmieters hier aber entfalle. Die Vermieterin hätte dem Mieter die Suche nach einem geeigneten Nachmieter derart erschwert und nahezu unmöglich gemacht und damit letztlich vereitelt. In diesem Fall verhalte sich der Vermieter widersprüchlich, da er einerseits dem Mieter gegenüber großzügig erkläre, dieser dürfe einen Nachmieter präsentieren, andererseits aber die Suche des Mieters "boykottiere".

Urteil des Bundesgerichtshofs

Dieser Argumentation folgt der BGH nicht. Seiner Ansicht nach obliegt es allein dem Mieter, einen geeigneten Nachfolger zu benennen, wenn er vom Vermieter mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis begehrt. Denn der Mieter trägt gemäß § 537 Abs. 1 BGB das Verwendungsrisiko der Mietsache. Es ist deshalb allein seine Sache, einen geeigneten Nachfolger zu suchen, den Vermieter über die Person des Nachfolgers aufzuklären und ihm sämtliche Informationen zu geben, die dieser benötigt, um sich ein hinreichendes Bild über die persönliche Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachmieters machen zu können. Der Vermieter ist demgegenüber nicht gehalten, aktiv an der Suche eines Nachmieters mitzuwirken. Deshalb hatte sich allein der Mieter - gegebenenfalls unter Einschaltung eines Maklers oder eines anderen Dritten - um Mietinteressenten zu bemühen, erforderliche Besichtigungstermine durchzuführen sowie - in gleicher Weise wie von den Mietern bei ihrer Anmietung verlangt - Unterlagen über die Bonität und Zuverlässigkeit vorzuschlagender Nachmieter anzufordern und der Vermieterin zu übermitteln.
(BGH, Urteil v. 7.10.2015, VIII ZR 247/14)

Quelle: Haufe.de (Online-Redaktion) vom 10.11.2015 –
Link zum Thema

BGH: Werdender Wohnungseigentümer wird man nur mit Übergabe

Werdender Wohnungseigentümer ist nur, wer - neben einem durch Vormerkung gesicherten Anspruch auf Eigentumserwerb - den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat.


Hintergrund: Keine Übergabe an Erwerber

Eine (werdende) Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom teilenden Eigentümer die Zahlung von Hausgeld und einer Sonderumlage für zwei Wohnungen.

Der beklagte Eigentümer hatte das mit einem Altbau bebaute Grundstück in fünf Wohneinheiten aufgeteilt und die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 an eine Erwerberin, die Wohnung Nr. 3 an eine zweite und die Wohnungen Nr. 4 und Nr. 5 an eine dritte Erwerberin verkauft. In den Kaufverträgen hatte er sich verpflichtet, das gesamte Gebäude zu sanieren. Zu Gunsten der Erwerberinnen wurden Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen. Das Eigentum wurde bislang nicht umgeschrieben. Die Wohnungen Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 wurden an die Erwerberinnen übergeben.

Die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 wurden nicht in der vereinbarten Frist fertiggestellt. Daraufhin kündigten deren Erwerberinnen insoweit die Bauträgerverträge, lehnten eine weitere Mängelbeseitigung ab und erhoben jeweils eine auf Auflassung gerichtete Klage. Eine einvernehmliche Übergabe dieser Wohnungen erfolgte nicht.

In einer
Eigentümerversammlung am 3.4.2013 wurde eine Wohngeldzahlung ab April 2013 von 2,50 Euro pro Quadratmeter und eine Sonderumlage von 700 Euro je Wohneinheit beschlossen. Die Beschlüsse wurden bestandskräftig. Bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung hatten die Erwerberinnen in den Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 einige Einrichtungsgegenstände untergebracht, obwohl die Wohnungseingangstüren seinerzeit noch fehlten.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom teilenden Eigentümer für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 die Zahlung der Sonderumlage und der Hausgelder für die Monate April bis Juli 2013. Der Eigentümer meint, die Erwerberinnen müssten die Lasten tragen.

Entscheidung: Bauträger haftet weiter

Die Klage hat Erfolg. Der teilende Eigentümer muss für die Hausgelder und die Sonderumlage der Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 aufkommen.

Mit Eintragung der Auflassungsvormerkungen und Übergabe der Wohnungen Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 ist eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft entstanden. Diese kann die Zahlungsansprüche geltend machen, obwohl der teilende Eigentümer noch als Eigentümer aller Wohneinheiten im Grundbuch eingetragen ist. In Bezug auf die Wohnungen Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 sind die Erwerberinnen werdende Wohnungseigentümer und haben die Kosten und Lasten zu tragen. Der teilende Eigentümer haftet nicht gesamtschuldnerisch.

Bezüglich der Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4, für die hier Zahlung verlangt wird, sind die Erwerberinnen hingegen keine werdenden Wohnungseigentümer geworden. Daher muss nach wie vor der teilende Eigentümer für die Kosten und Lasten dieser Einheiten aufkommen.

Vordergründig sind zwar auch hinsichtlich der Wohnungen Nr. 1 und Nr. 4 die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ein Erwerber als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, nämlich wirksame, durch Vormerkung gesicherte Übereignungsansprüche und Alleinbesitz an den erworbenen Einheiten. Allerdings reicht nicht jede Form des Besitzübergangs aus, um eine Stellung als werdender Wohnungseigentümer zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass der Erwerber den Besitz an der erworbenen Wohnung durch Übergabe erlangt hat. Anderenfalls könnte der Bauträger seine mitgliedschaftliche Stellung ohne oder gegen seinen Willen verlieren und so aus der Gemeinschaft gedrängt werden. An einer Übergabe fehlt es hier.

Die Belange der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen dem Erfordernis einer Übergabe nicht entgegen. Insbesondere wird es dem Verband hierdurch nicht über Gebühr erschwert, zu ermitteln, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehat, also zu Eigentümerversammlungen eingeladen werden muss, dort das Stimmrecht ausüben darf und die Kosten und Lasten tragen muss.

Hat ein Erwerber die Wohnung bereits bezogen, kann der Verband grundsätzlich von einer Übergabe ausgehen, da eine solche dem Einzug (zumindest stillschweigend) in aller Regel vorausgeht. In diesem Fall kann der Käufer die Erfüllung seiner mitgliedschaftlichen Pflichten im Verhältnis zum Verband nicht unter Hinweis auf eine unterbliebene Übergabe verweigern. Dies stünde im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten - nämlich dem Einzug in die Wohnung.  Nur wenn der Bauträger seinerseits plausible Gründe dafür mitteilt, dass der Einzug ohne vorherige Übergabe erfolgt ist, ist im Zweifel die Grundbucheintragung maßgeblich und infolgedessen der Bauträger weiterhin als Wohnungseigentümer anzusehen.

Ist die Wohnung - wie hier - noch nicht bezogen, ist schon die Besitzbegründung durch den Erwerber als solche nach außen nicht ohne weiteres erkennbar. Es obliegt den Parteien des Bauträgervertrags, dem Verband eine schon im Vorfeld des Einzugs erfolgte einvernehmliche Übergabe mitzuteilen. Im Zweifel ist auch hier die Grundbucheintragung maßgeblich und der Bauträger als Wohnungseigentümer anzusehen. Bei einer gegen ihn gerichteten Zahlungsklage hat der Bauträger darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein Übergang der mitgliedschaftlichen Stellung auf den Erwerber anzunehmen ist.

(BGH, Urteil v. 11.12.2015, V ZR 80/15)

Quelle: Haufe.de (Online-Redaktion) vom 11.02.2016 –
Link zum Artikel