Juli 2013

BGH: Ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Befristung des Mietvertrages

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, wie ein Mietvertrag ausgelegt werden kann, der eine unwirksame Befristung enthält.
Paragrafen

Der Beklagte mietete von der Klägerin ab dem 1. November 2004 eine Wohnung. Der Vertrag enthält folgende Bestimmung:

"Das Mietverhältnis ist auf Verlangen des Mieters auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Es beginnt am 1. November 2004 und endet am 31. Oktober 2011, wenn es nicht verlängert wird mit 2 x 3-jähriger Verlängerungsoption."

Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31. August 2011. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 kündigte sie fristlos. Ihrer Räumungsklage wurde in den Vorinstanzen aufgrund der Eigenbedarfskündigung stattgegeben.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass für die Dauer der unwirksamen Befristung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht anzunehmen ist.

Im zu entscheidenden Fall war die Befristung des Mietvertrages unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB* nicht vorlagen; gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB galt der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die dadurch im Vertrag entstandene Lücke ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Dabei ist zu berücksichtigen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre. Da das von beiden Parteien verfolgte Ziel einer langfristigen Bindung an den Mietvertrag durch einen beiderseitigen Kündigungsverzicht erreicht werden kann, ist ein solcher Ausschluss der ordentlichen Kündigung für die Dauer der Befristung anzunehmen.

Die während der Dauer des Kündigungsausschlusses ausgesprochene Kündigung der Klägerin vom 28. Februar 2011 ist daher unwirksam. Der Senat hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die weitere (fristlose) Kündigung der Klägerin wirksam ist.

*§ 575 BGB: Zeitmietvertrag
(1) Ein Mietverhältnis kann auf bestimmte Zeit eingegangen werden, wenn der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit
1.die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts nutzen will,
2.in zulässiger Weise die Räume beseitigen oder so wesentlich verändern oder instand setzen will, dass die Maßnahmen durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich erschwert würden, oder
3.die Räume an einen zur Dienstleistung Verpflichteten vermieten will und er dem Mieter den Grund der Befristung bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt. Anderenfalls gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Urteil vom 10. Juli 2013 - VIII ZR 388/12
AG Waldshut-Tiengen Urteil vom 29. Juni 2012 – 7 C 280/11
LG Waldshut-Tiengen Urteil vom 8. November 2012 – 2 S 39/12

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe

BGH: Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bei einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung zu einer Reihe von gleichgelagerten Fällen mit der Frage befasst, wann ein Gutachten als ungeeignet zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete angesehen werden muss.
Paragrafen

Die Beklagten sind Mieter von Doppelhaushälften der Klägerin in Ahlen. Die Mietobjekte gehören zu der in den Jahren 1910 bis 1924 durch die Bergwerksgesellschaft Westfalen errichteten "Zechensiedlung Neustadt", die bis zur Schließung der Zeche "Westfalen" im Jahr 2000 subventioniert und fast ausschließlich von Bergleuten bewohnt war. Die Siedlung besteht aus überwiegend älterer Bausubstanz im gleichförmigen Siedlungsstil und steht wegen ihres Charakters als Gartenstadt unter Denkmalschutz. Im Jahr 2005 verlangte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Mietspiegel von Ahlen für eine Vielzahl ihrer Mietobjekte in der Zechensiedlung die Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettomiete. Die Beklagten erteilten die Zustimmung nicht.

Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung gerichteten Klagen abgewiesen. Es hat die ortsübliche Vergleichsmiete mit Hilfe eines Sachverständigen anhand des (einfachen) Mietspiegels von Ahlen ermittelt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese niedriger als die bisher gezahlte Miete ist und somit kein Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung besteht. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzlichen Urteile abgeändert und den Klagen (in zwei Fällen ganz, in einem Fall teilweise) stattgegeben. Es hat sich auf ein Sachverständigengutachten gestützt, das ausschließlich Wohnungen der Klägerin aus der ehemaligen Zechensiedlung als Vergleichsobjekte herangezogen hat.

Die vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten hatten Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Gutachten als Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete* ungeeignet ist, wenn es nur Vergleichswohnungen aus einer einzigen Siedlung, die im Eigentum ein und desselben Vermieters steht, berücksichtigt. Denn der Sachverständige muss bei der Ermittlung der Einzelvergleichsmiete ein breites Spektrum von Vergleichswohnungen aus der Gemeinde berücksichtigen.

Das Berufungsgericht hat daher seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft das von ihm eingeholte Gutachten zugrunde gelegt und den Mietspiegel** der Staat Ahlen als vermeintlich nicht taugliche Erkenntnisquelle außer Betracht gelassen. Der Senat hat die Urteile des Berufungsgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Sachen an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der ortsüblichen Vergleichsmiete treffen kann.

*§ 558 BGB: Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. …
**§ 558c BGB: Mietspiegel
(1) Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 263/12
AG Ahlen - Urteil vom 7. Juli 2009 – 9 C 430/05
LG Münster - Urteil vom 3. Juli 2012 – 06 S 68/09

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe

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